Der Münchener Bergsteiger Sebastian Haag und der Italiener Andrea Zambaldi sind an der 8013 Meter hohen Shisha Pangma im Himalaya kurz unter dem Gipfel von einer Lawine mitgerissen und verschüttet worden. Sie wurden nach Angaben ihrer Begleiter nicht gefunden. Mehrere Medien berichten, dass die Beiden tot seien. Damit ist leider zu rechnen.
Die Expedition von Sebastian Haag und seines engen Münchener Freundes, Benedikt Böhm, hat sich damit zu einer Tragödie entwickelt. Wir bedauern dies sehr und wünschen den Familien der beiden Bergsteiger viel Kraft!
Vor wenigen Tagen haben wir an dieser Stelle die Frage nach dem Sinn von Speedbegehungen an hohen Bergen gestellt. Genau dies war und ist die Disziplin der beiden Bergsteiger Haag und Böhm: Gipfel, vor allem hohe Gipfel, möglichst schnell zu besteigen – in vielen Fällen unter Benutzung von Skiern. „Double 8“ nannte sich ihr aktuelles Vorhaben: Die beiden 8000er Shisha Pangma und Cho Oyu innerhalb von acht Tagen besteigen und die Strecke zwischen den beiden Bergen mit dem Fahrrad zurücklegen. Wie schreibt Böhm auf seiner Homepage selbstbewusst über sich: „Die Formel 1 des Skibergsteigens“ Und etwas kaltschnäuzig: „Weniger labern, machen.“
Die Tragödie an der Shisha Pangma ist sicherlich nicht auf die Schnelligkeit der beiden Bergsteiger zurückzuführen. Aber möglicherweise auf den Druck, unter dem die Extremsportler standen beziehungsweise sich selbst gesetzt haben. Denn sie betreiben ihren Sport profimäßig und vermarkten ihre Leistungen entsprechend professionell. Im aktuellen Fall haben sie auf Spiegel-Online intensiv über ihre Expedition berichtet. Zahlreiche Sponsoren unterstützen sie auf ihrer aktuellen Tour. Da sind die Erwartungen hoch, das selbst definierte, ambitionierte Ziel auch zu erreichen. Denn letztlich hängt vom Erfolg solch extremer Unternehmungen die eigene bergsportliche Vermarktungsfähigkeit ab. Wer mehrfach sein angekündigtes Ziel nicht erreicht, fällt in der Sponsoren- und Mediengunst zurück.
All dies ist nicht verwerflich, solch ein Verhalten ist nachvollziehbar. Nur: Es ist eben auch sehr riskant. Haag und Böhm hatten nur ein kurzes Zeitfenster, um ihrem hohen Anspruch gerecht zu werden. Konkret bedeutet dies: Entweder, eine solche Mammuttour gelingt jetzt, innerhalb weniger Tage beziehungsweise Wochen. Oder eben nicht. Im letzteren Fall kehren die Bergsteiger mit leeren Händen heim, die große Ankündigung löst sich in Nichts auf.
Bergsteiger, die unter einem hohen Erfolgsdruck in der Öffentlichkeit stehen, gehen im Zweifel Risiken ein, die sie sonst nicht auf sich nehmen würden. In diesem Fall war es die Lawinengefahr. Einige Tage zuvor hatten Haag und Böhm ihren ersten Gipfelversuch wegen zuviel Schnee abgebrochen. Ohne dass wir Außenstehenden die konkreten Verhältnisse in der Gipfelzone der Shisha Pangma am Unglückstag kennen, so ist doch anzunehmen, dass auch bei ihrem zweiten gescheiterten Versuch viel ungefestigter Schnee am Berg hing – offenbar zuviel. Der Autor dieser Zeilen war selbst im Vormonsun 2014 an der Shisha Pangma unterwegs und hat einen Gipfelversuch wegen zuviel Schnee in über 7000 Meter Höhe abgebrochen.
Die Leistungen in allen Sportarten werden weiter in die Höhe getrieben. Beim Bergsteigen nimmt damit in der Regel aber auch das Risiko deutlich zu. Ein Free Solo-Kletterer mag ein Spitzensportler seiner Disziplin sein – er darf sich aber nicht einen Fehler erlauben. Bei Steilwandskifahrern muss jeder Schwung sitzen. Und Höhenbergsteiger, die neue, extreme Routen versuchen oder wie Haag und Böhm möglichst schnell unterwegs sein wollen, übertragen sportliche Höchstleistungen in ohnehin lebensfeindliche Zonen.
Spitzenbergsteiger werden auch weiterhin ihre Leistungen vermarkten. Der Druck, der auf ihnen lastet, ist groß. Das Risiko des Scheitern ebenso. © Bergsturz