Verlierer-Aktien: Curevac (Folge 5)

Die Tübinger Biotechfirma Curevac war zu Hoch-Zeiten der Coronapandemie ein Hoffnungsträger, nicht nur der Menschheit, sondern auch der Anleger. Das Management hatte in erwartungsreichen Ankündigungen einiges dazu beigetragen, dass ab Anfang 2020 plötzlich viele Menschen den Namen dieses bis dato nahezu unbekannten Unternehmens kannten. Die Verantwortlichen preisten die über 20 Jahre währende Expertise in der mRNA-Technologie. Sie stellten die mutmaßlichen Qualitäten des eigenen Corona-Impfstoffkandidaten heraus, der auf dem Ansatz chemisch nicht modifizierter mRNA basierte. Und sie wiesen auf die Schnelligkeit hin, mit der Curevac diese Aktivitäten vorantrieb.

Übrig geblieben ist davon wenig bis nichts. Ende Juni 2021 musste das Management eingestehen, dass Curevacs mRNA-Impfstoffkandidat eine deutlich geringere Wirksamkeit aufwies als die mRNA-Vakzine der Wettbewerber Biontech und Moderna. Offensichtlich zeigte der gewählte technologische Ansatz trotz aller langjährigen Expertise nicht das erhoffte Ergebnis. Zwar glaubte der Vorstandschef anfangs noch, er könne das Projekt trotz der ernüchternden Daten retten. Doch die Fakten setzten der Fantasie Grenzen: ein Produkt mit minderer Qualität lässt sich nun mal nicht verkaufen.

Der Aktienkurs – ein Desaster

Curevac ist ein gutes Beispiel dafür, wie mit positiv klingenden Ankündigungen Aufmerksamkeit generiert und Aktienkurse getrieben werden können. Für 16 US-Dollar wurden die Papiere im August 2020 an die Börse gebracht, der erste Kurs an der Technologiebörse Nasdaq lag bei 44 US-Dollar und erreichte noch am ersten Handelstag 50 US-Dollar. In der Folge trieb die Fantasie das Papier in der Spitze bis auf 125 US-Dollar. Der deutsche Staat und die EU steckten hunderte von Millionen Euro in die Firma. Der ehemalige Vorstandschef wurde zu Donald Trump ins Weiße Haus eingeladen, Elon Musk kam zu Besuch. Curevac schien auf einem guten Weg.

Nur: Fantasie und Erwartungen machen noch kein Produkt. Mit der Einstellung des mRNA-Impfstoffes und nach der Versenkung von mehreren hundert Millionen Euro für Entwicklung und klinische Studien brach auch der Aktienkurs von Curevac in sich zusammen. Heute notiert das Papier bei etwa 14 Dollar und liegt damit weit unter seiner Erstnotiz und meilenweit von seinen einstigen Höchstständen entfernt. Kurz: Der Aktienkurs ist ein einziges Desaster und spricht Bände über das, was alles schief gelaufen ist.

22 Jahre und kein Produkt

Dabei hätte ein Blick auf die Firmenhistorie zeigen können, dass Curevac schon in der Vergangenheit nicht viel gelungen war. Gegründet im Jahr 2000 hatte es das Unternehmen in zwei Jahrzehnten nicht geschafft, ein relevantes Produkt auf den Markt zu bringen. 2017 musste die Firma gar das Scheitern eines mRNA-basierten Mittels gegen Prostatakrebs eingestehen.

Doch Curevac scheint eine Art Stehaufmännchen zu sein. Trotz der bisherigen Fehlschläge versucht das Management nun, im Jahr 22 nach der Unternehmensgründung, die Welt und die Investoren mit neuen Plänen für sich zu gewinnen: zusammen mit dem Pharmakonzern GSK arbeitet Curevac an einem neuen, angeblich verbesserten mRNA-basierten Covid-19-Impfstoffprojekt. Allerdings zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass dieser Kandidat von einem potenziellen Markteintritt noch ein gutes Stück entfernt ist. Die vorliegenden Daten wurden im Tiermodell gewonnen; erste Tests am Menschen haben gerade erst begonnen.

Andere Produktkandidaten, die sich nahe der Marktreife befinden könnten, sucht man bei Curevac ebenfalls vergeblich. Die Pipeline weist überwiegend Projekte in der präklinischen Phase auf; jenseits der Phase 1 findet sich nichts. Wobei, das stimmt nicht ganz: tatsächlich weist die Pipeline ein Projekt mit vollendeter Phase 3 auf – den gescheiterten Covid-19-Impfstoffkandidaten CVnCoV.

War Dietmar Hopp gut beraten?

Immerhin, das Selbstbewusstsein der Tübinger scheint zu stimmen. Auf seiner Webseite bezeichnet sich Curevac als „weltweit führendes biopharmazeutisches Unternehmen“. Das kann man Chuzpe nennen. Man könnte es auch als Selbsttäuschung betrachten.

In dem Zusammenhang könnte man mehrere Fragen stellen: Wie schafft man es als Unternehmen, mehr als zwei Jahrzehnte lang zu existieren, ohne ein Produkt auf den Markt gebracht und ohne jemals nennenswert Umsatz geschweige denn Gewinn erwirtschaftet zu haben?

Wie schafft man es bei diesem Track Record, hunderte von Millionen Euro einzusammeln und es zeitweise auf eine Marktkapitalisierung im zweistelligen Milliardenbereich zu bringen?

Man könnte auch fragen, ob der Großaktionär Dietmar Hopp, der Curevac viele Jahre mit seinem Investment am Leben gehalten hat, wirklich gut beraten war?

Schließlich könnte man einwerfen, ob Curevac ein gut gemanagtes Unternehmen war und ist? Der Vorstandschef, der beim Misserfolg des ersten Kandidaten an der Unternehmensspitze stand, will es nun jedenfalls mit einem anderen Covid-19-Impfstoff erneut versuchen. Man könnte an dieser Stelle fragen, ob der dann überhaupt noch gebraucht wird – aber das würde zu weit führen.

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