Afghanistan: Nach uns die Sintflut

Das Geschrei ist groß in der westlichen Welt, dass die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul schneller als erwartet eingenommen haben. Nach einem Bericht der „Washington Post“ unter Berufung US-Geheimdienstquellen waren diese noch im Juni davon ausgegangen, dass Kabul in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach dem Abzug des US-Militärs unter die Kontrolle der Taliban geraten könnte. Auch beim deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) war man davon ausgegangen, dass Kabul erst später fällt.

Bemerkenswert ist, dass man in diesen normalerweise gut informierten Kreisen davon ausging, dass Kabul und damit im Grunde das gesamte Land ohnehin in die Hände der nicht gerade für ihre Liebenswürdigkeit bekannten Taliban fallen werden. In Geheimdienstkreisen wie auch bei den politischen Entscheidern war man sich also bewusst, dass diejenigen, die das Land und deren Menschen in den 1990er-Jahren mit steinzeitlichen Methoden beherrschten, wieder die Macht übernehmen werden – eben nur etwas später als gedacht.

Unter dieser Prämisse fand der überhastete Abzug der USA und alliierter Truppen aus dem Land statt – ohne jeglichen Plan einer ordentlichen Übergabe- oder Nachfolgeregelung. „Was nach uns kommt, interessiert uns nicht – selbst wenn dabei Millionen Menschen unterjocht, um ihre Menschenrechte gebracht oder Tausende gar ums Leben kommen sollten“ – so in etwa ließe sich die Denke und Handlungsweise derjenigen zusammenfassen, die 20 Jahre vergeblich versucht haben, anhaltende Ordnung und Stabilität in das Land zu bringen.

Man könnte auch fragen, wieso jetzt plötzlich alles so schnell gehen musste? Wenn die fremden Mächte 20 Jahre im Land waren, hätten sie doch auch noch ein paar Monate dranhängen können, um zu prüfen, ob das afghanische Militär wirklich fähig und willens ist, sich den Taliban entgegenzustellen. Aber gut, Herr Trump hatte 2020 ja einen Deal mit den Taliban geschlossen, der musste nun umgesetzt werden.

Galt bislang die Devise: Wir versuchen, westliche Werte nach Afghanistan zu bringen, gilt nun: Nur weg. Nach uns die Sintflut!

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