Anfang 2019. In Südbayern, den bayerischen Alpen und Österreich herrscht Schneechaos. Radio- und Fernsehsender berichten von dramatischen Entwicklungen: Es liege bereits ein Meter Schnee, in den nächsten Tagen komme nochmal bis zu einem Meter Schnee darauf. Ein Bayern-5-Reporter berichtet aus Salzburg von heftigen Schneefällen, Miesbach hat den Katastrophenzustand ausgerufen, Jachenau ist von der Außenwelt abgeschnitten, Bäume brechen unter der Schneelast, die Bahn gerät aus dem Takt. Sogar Liftgebiete am Sudelfeld und Spitzingsee mussten ihren Skibetrieb einstellen.
In Zeiten des Klimawandels scheinen manche vergessen zu haben, dass es im Winter schneien kann. In medial und sprachlich aufgeheizten Zeiten wird aus einem starken Schneefall gleich ein Ausnahmezustand oder eine Katastrophe. Dass ein Ort wie die Jachenau mit seinen 824 Einwohnern von der Außenwelt abgeschnitten ist, wird zu einem herausragenden Ereignis hochstilisiert und soll die volle Dramatik der Lage zeigen.
Dabei ist es in den Alpen völlig normal, dass im Winter mal ein Ort wegen viel Schnee temporär nicht erreichbar ist. Wobei heutzutage per Helikopter jeder Ort erreichbar ist – es muss also niemand hungern, weil er mit seinem SUV mal für ein paar Tage nicht den nächstgelegenen Aldi oder Hofer erreicht.
Im Übrigen fragt man sich, von welchen Schneemengen hier überhaupt gesprochen wird. Die Webcam von Salzburg zeigt eine leichte Schneebedeckung der Stadt, auf Miesbachs Dächern liegen vielleicht 30 Zentimeter, und auch in der Jachenau sind es nicht viel mehr.
Vielleicht ist es einfach nur das Chaos in den Köpfen von einigen Verantwortlichen und Medienschaffenden, die entweder in Hysterie oder in Aufmerksamkeitswahn geraten. Zwei Wochen vorher sah die Lage zudem noch völlig anders aus: Null Schnee auf dem Sudelfeld und am Spitzing – wobei, das stimmt nicht: es gab schmale weiße Bänder aus Kunstschnee, die Schneekanonen hatten die angelegten Speicherseen bereits zur Weihnachtszeit 2018 beinahe leer gesogen, damit den Skifahrern so etwas wie Schnee präsentiert werden konnte. Dass das Fahrvergnügen auf diesen eisharten Pisten gegen Null geht, ist ein anderes Thema. Auch, dass manche Leute bereit sind, dafür 40 Euro für ein Tagesticket auszugeben.
P.S.: Südtirol wäre froh um unser Schneechaos – dort liegt im Januar 2019 gar nichts.
P.P.S.: Dass die Bahn bei Schneefall durcheinander gerät, ist mittlerweile bekannt. Schnee scheint bei dem Unternehmen ein unvorhersehbares Phänomen zu sein, auf das offenbar kein Mitarbeiter vorbereitet ist.
Nachtrag am 10.1.2019: Nach mittlerweile dauerhaftem Schneefall muss ich zugeben – es liegt ordentlich Schnee in den Vor- und Nordalpen. Es scheint ein echter Winter zu sein.