Deutschland hat gewählt, nun soll das Land nach dem Willen von Grünen und Co. möglichst schnell klimafreundlich gemacht werden. Dafür braucht es Technologien und politische Vorgaben, das ist das eine – die Bereitschaft der Menschen für Veränderung ist das andere. Doch am Willen, den eigenen Lebensstil zu ändern, hapert es.
Das ist jeden Samstag früh beim Bäcker zu beobachten, wenn Mann oder Frau die 800 Meter von der Wohnung mit dem Auto fährt statt das Fahrrad zu nehmen oder zu Fuß zu gehen. Gleiches morgens vor dem Kindergarten, wenn die Fünfjährige von Mama mit dem SUV gebracht wird. Da findet bereits die mobile Prägung für das restliche Leben statt.
Wie es um die Lage der Menschheit steht, lässt sich exemplarisch auch an Alpenpässen beobachten. Beispiel Kesselberg, das kurvenreiche Asphaltband zwischen Kochel- und Walchensee. Freitagnachmittags (an Wochenenden ist der Pass für motorisierte Zweiräder gesperrt) treffen sich hier Motorradfahrer in Scharen, um die Straße vielfach mit hoher Geschwindigkeit und in extremer Schieflage zu befahren – hoch, runter und gleich wieder hoch. Wehe, wer dann dort als einfacher Fahrradfahrer unterwegs ist.
Oder Dolomitenpässe an einem Sommerwochenende: Jene Rennradfahrer und Mountainbiker, die sich schwitzend und geräuschlos auf Sellapass, Falzarego und Giau hocharbeiten, sind arme Kerle, denn sie sind einem permanenten ohrenbetäubendem Röhren aufheulender Motoren ausgesetzt. Heerscharen von Motorradfahrern, die zum Spaß einige hunderte Kilometer über die Pässe düsen, ziehen teilweise im Sekundentakt dicht an ihnen vorbei. Dazu gesellen sich PS-starke Cabrios, die Fahrer jenseits der 55, die ihre Männlichkeit unter Beweis stellen, indem sie die Motoren ihrer flachen Mobile zwischen den Kurven mal richtig ausreizen. Und dann gibt es noch jene hunderte motorisierte Freizeit-Autofahrer, die zwar mit moderaterem Tempo, aber ebenfalls nur zum Vergnügen durch die Lande fahren.
Oben am Pass treffen sie sich alle wieder. Die Autofahrer schieben sich mühsam aus ihren Sitzen, gehen zehn Meter zum Aussichtspunkt, drücken für ein Selfie auf die Auslöser ihrer Handys und gönnen sich dann im nahegelegenen Restaurant ein Radler oder einen Aperol Sprizz.
Die Motorradfahrer begutachten erst eingehend die im Pulk versammelten Bikes, ehe sie ihren Bierbäuchen eine Currywurst zu 7 Euro und eine Tasse Kaffee oder Pils gönnen. Lässig zurückgelehnt und hinter coolen Sonnenbrillen versteckt geben sie dann auf der sonnigen Terrasse ihre kilometergefressenen Heldentaten des Tages zum Besten, ehe sie ihre aus den Fugen geratenen Wohlstandskörper, die nur durch die Lederkleidung halbwegs zusammengehalten werden, wieder über die Sitze ihrer 1000-Kubik-Maschinen schwingen, mit einem Wumm die Motoren starten, im Leerlauf mehrmals am Gasgriff drehen – Hallo, hier bin ich. Ich! – und dann mit weit hörbarem Röhren den Pass hinunter düsen – und dem nächsten Pass entgegen.
Ein Tag an einem Alpenpass beweist: Der Mensch ist faul und gefräßig. Für die Rettung unseres Planeten ist er nicht bereit. Selbst an dem Tag, an dem die Welt untergeht, wird er nochmal seine Maschine anwerfen und ein letztes Mal zum Spaß durch die Kurven röhren.
Fotos: Schüller