Seien Sie anspruchslos

„Seien Sie anspruchsvoll“ – mit diesem Slogan warb die Süddeutsche Zeitung (SZ) lange für sich. Dass dieser Anspruch längst nicht für alle Produkte der Süddeutsche Zeitung GmbH gilt, war mal wieder in den vergangenen Tagen und Wochen zu sehen und zu lesen.

Eternal Beauty

Da liegt der Zeitung eines Tages ein magazinartiges Beiblatt mit dem Titel „Eternal Beauty“ bei. Es geht um „Health & Wellbeing“, „Lift me up – neueste treatments“, „Selfcare“ und „Back to shape“. Offenbar sind den Machern unter Habib Yaman die deutschen Begriffe ausgegangen; kurzerhand haben sie ein neues Kauderwelsch erfunden. Die Themen sind so bedeutungslos wie ihr Inhalt teuer und ihr wirklicher Nutzen fragwürdig: Kaviar-Hautpflegeprodukte zu 480 Euro (Anzeige), Heilverfahren mit Hype-Faktor, mikrobiombasierte Ernährung, State-of-the-Art-Behandlungen. Natürlich darf ein Reisebericht zu „holistischen Hideaways“ auf den Malediven nicht fehlen. Alles sauber journalistisch recherchiert und objektiv geschrieben, so wie man es aus dem Hause SZ kennt. Vulgärsprachlich könnte man solch ein Produkt auch als gequillte Sch… bezeichnen – aber von solch einer Ausdrucksweise distanzieren wir uns hier ausdrücklich.

Allgäu Top Hotels

Wenige Tage später dann fällt einem beim Durchblättern der Zeitung das Heftchen „Allgäu Top Hotels“ auf die Füße, laut Impressum ebenfalls ein Produkt der Süddeutsche Zeitung GmbH. Die darin auf 20 Seiten beschriebenen Gästebetriebe sind genau jener Kategorie, die der coronageplagte Deutsche jetzt gerne aufsucht: Das Doppelzimmer so ab 300 bis 400 Euro aufwärts. Gut, in ein Haus kann man sich bereits für 113 Euro pro Nacht einmieten, dafür gibt es andere nicht unter 580 Euro. Die Mitglieder von Claus Weselkys Gewerkschaft werden dort gerne buchen. Den Überschriften nach wird es ihnen dort richtig gut gehen, versprechen diese Hotels doch das „große Glück im Kleinen“, den „Gipfel des Wohlgefühls“ oder einen „Urlaub voller Hochgefühle“. Ganz viel Marketingbrei auf einem Haufen. Immerhin, wenn man genau auf die Titelseite dieses Produktes schaut, erkennt man schwach und klein, dass es sich um eine Anzeigensonderveröffentlichung des Verlages handelt.

Wohlfühlen

Ende September 2021 liegt der gedruckten Zeitung dann die Beilage „Wohlfühlen“ bei. Da darf die verantwortliche Redakteurin Susanne Hermanski, die auch Leiterin der Kulturredaktion der SZ ist, über mehrere Seiten Werbung für Luxushotels auf den Malediven machen. Wie sie zu dieser Reise gekommen ist, erfährt der Leser versteckt im kleingedruckten Impressum: „Die Recherchen für diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen“. So, die Journalisten hat sich offenbar auf einen mehrere tausend Euro teuren Luxustrip einladen lassen, um nachher schön darüber zu schreiben. Immerhin hätte sie dann darauf achten können, dass man das Ressort, welches sie meint, mit einem „s“ schreibt. Ob die Malediven in Zeiten, in denen die neue deutsche Politik die Bekämpfung des Klimawandels oben auf die Agenda setzen will, das passende Reiseziel sind, sei nur am Rande vermerkt.

Daneben ist Frau Hermanski auch nach Madrid gereist und berichtet offensichtlich aus eigenem Augenschein aus den Häusern Mandarin Oriental Ritz sowie Four Seasons Hotel Madrid – beide zählen bekanntermaßen nicht zu den Billigabsteigen. Echter Journalismus kann so schön sein!

Dass darüber hinaus namentlich Kosmetika und italienische Designprodukte besprochen werden, passt ins Bild dieses Werbeheftes. Und der Ehemann von Frau Hermanski wurde auch bedacht – er durfte ebenfalls einen Beitrag verfassen.

Süddeutsche Zeitung – vielleicht sollten wir doch nicht zu anspruchsvoll sein.

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