Teil 1: Macht das Bahnfahren billiger
„Mehr Fortschritt wagen“, mit diesem Slogan haben die Ampel-Koalitionäre ihre neue Regierung gebildet. Die Erwartungen sind hoch, dass dieser Fortschritt rasch und entschieden kommt. Die Chancen dafür stehen gerade jetzt, zu Beginn der neuen Allianz, gut, dass Olaf Scholz und seine Mitstreiter deutliche Fußabdrücke setzen. Und die Grünen werden wahrscheinlich, zumindest hoffentlich, dafür sorgen, dass diese Spuren auf neudeutsch gesprochen nachhaltig sind – was so viel meint wie gut zur Natur.
Um rasch Zeichen hinter ihre hehren klimapolitischen Ansprüche zu setzen, hätte die neue Regierung nun die Möglichkeit, einige Quick Wins umzusetzen und einzufahren. Was bedeutet, schnell Maßnahmen umzusetzen, die klar sichtbar sind und einen unmittelbaren positiven Effekt auf unsere Umwelt haben.
Einer dieser Quick Wins betrifft den öffentlichen Personennahverkehr, also Bus, Straßenbahn, U- und S-Bahn sowie im Besonderen die Bahn. Die hat zwei grundlegende Probleme: Sie leistet sich noch immer zu viele Verspätungen, Pannen und Ausfälle. Und sie ist schlichtweg zu teuer. Wer abends um 21 Uhr auf einem Provinzbahnhof per Durchsage zu hören bekommt, dass er seinen Anschluss leider nicht erreicht und daher eine Stunde länger auf den Folgezug warten muss, ist trotz positiver Grundeinstellung zur Bahn nicht begeistert. Wer zudem für eine Fahrt über 270 Kilometer im Normalbetrieb laut Fahrplan mit Umsteigen viereinhalb Stunden benötigt und dafür 65 Euro bezahlt, stellt sich im Vergleich zum Auto schnell die Sinnfrage: Das schafft die Strecke in rund drei Stunden, die Benzinkosten liegen je nach Verbrauch etwa bei der Hälfte des Bahnpreises. Nun wären viele ja bereit, mit Bahn und ÖPNV etwas längere Reisezeiten als mit dem Punkt-zu-Punkt-Verkehrsmittel Auto zu akzeptieren. Nur: Dann muss wenigstens der Preis attraktiv sein. Ist er aber nicht.
Wie hier ein mutiger Schritt aussehen kann, um die Bahn und den gesamten ÖPNV in Deutschland attraktiver zu machen, hat jüngst Österreich vorgemacht. Für 1095 Euro können die Bürger dort ein Klimaticket erwerben, dass ihnen erlaubt, ein Jahr lang mit Bussen und Bahnen durch das Land zu fahren.
Warum nicht auch hierzulande? Warum nicht nach diesem Beispiel auch in Deutschland preislich lukrative ÖPNV-Jahrestickets einführen? 1500 Euro für 365 Tage freie Fahrt in allen deutschen öffentlichen Verkehrsmitteln wäre eine Ansage. Damit würden Bahn und Bus schlagartig an Attraktivität gewinnen. Tausende, wenn nicht hunderttausende oder Millionen würden bei solch einem Preis ihr Auto stehen lassen und auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen. Natürlich käme sofort das Argument, dass solch ein Schritt nicht finanzierbar wäre. Doch worum geht es hier? Um die Rettung unseres Klimas! Und damit letztlich um die Rettung unserer Welt, unserer Lebensgrundlage. Wir werden hunderte von Milliarden Euro und Dollar in die Bekämpfung der Folgeschäden der Klimaerwärmung investieren. Da macht es doch Sinn, jährlich mit ein paar Milliarden den Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel finanziell zu unterstützen – und zwar jetzt. Sofort. Der Effekt auf den Straßen und für unsere Luft wäre jedenfalls unmittelbar spür- und messbar. Und die neue Regierung könnte sich den Lorbeer eines Quick-Wins ans Revers heften.
Teil 2 erscheint am 11. Dezember 2021